Weiterführende Infos
Auszüge aus dem Leistungsangebot
Eltern
Die Kinder oder Jugendlichen kommen oft aus Familien mit einer multifaktoriellen Problemlage, die über Generationen tradiert sein kann. Dies bezieht sich auf eigene Erziehungserfahrungen der Eltern, z.B. eigene Erfahrungen mit Gewalt oder Vernachlässigung, daraus resultierende psychische Erkrankungen, eingeschränkte Wahrnehmungen der Bedürfnisse der Kinder, etc. Sich diesen Erkenntnissen und Faktoren zu stellen, ist eine erhebliche Herausforderung für die Eltern.
In Verbindung mit dem Konzept „des sicheren Ortes“ für ihre Kinder heißt dies auch, dass Eltern erkennen müssen, dass sie selbst nicht immer in der Lage waren, einen sicheren Ort für ihre Kinder herzustellen. Dies ist oft mit sehr leidvollen Erkenntnissen und der oben schon benannten Konfrontation mit eigenen biographisch schmerzvollen Erfahrungen verbunden.
Wesentliche Voraussetzung dieser Form der Elternarbeit ist die Herstellung einer Beziehung zu den Eltern und die Verabredung von Zielen sowie die damit verbundene Erarbeitung eines Auftrags.
Kinder
Wir beziehen alle Ebenen der kindlichen Erfahrung mit ein, beispielsweise die Förderung der Körper- und Sinneswahrnehmung, die Motivation zu lernen und sich zu entwickeln, ihre Neugier zu fördern und intrinsische Motivation zu wecken.
Wir nutzen dazu alle Formen lebenspraktischer gemeinsamer Erfahrungen. Dazu gehören das Erleben und Gestalten von Natur und Garten, der Spaß am Zubereiten von Mahlzeiten, die Motivation zu Bewegung und Sport etc.
Wir gestalten das Zusammenleben so, dass Lernprozesse mit den Kindern entwickelt werden, die auf allen Ebenen ihre Fähigkeiten erweitern, am sozialen Leben teilzunehmen.
Diese Ebene sprechen wir beispielhaft an. Aus der Forschung zu Entwicklungstraumata wissen wir, dass gerade praktische Prozesse im Alltag (auch aus neurophysiologischer Sicht), die größte Wirkung entfalten, wenn sie die Ebene der Sinneserfahrung mit einbeziehen.
Beziehungsorientierte Pädagogik setzt damit genau an dem Punkt an, der die „Verstörung“ angerichtet hat, der fundamentale Vertrauensverlust in Bezugspersonen, deren Handeln sich eher zum Schaden der Kinder und Jugendlichen ausgewirkt hat.
Das familienanaloge Setting bietet darüber hinaus eine kontinuierliche persönliche Beziehung und Begleitung auf fachlicher Basis, die das Kind im Fokus hält. Denn Bindung lernt man nur durch Bindung.
Methodisches Vorgehen
- Für die Pädagog:innen ist es deshalb von grundlegender Bedeutung über die folgenden Zusammenhänge informiert zu sein und sie im Alltag anzuwenden:
- Wir kennen unser Stressregulationssystem und wissen um die neurobiologischen Folgen von entwicklungsbedingtem Stress und Trauma und deren Folgestörungen.
- Wir kennen Methoden der Stressregulation für uns selbst, sodass wir das Zusammenleben mit den Kindern gut co-regulieren können.
- Wir fördern die eigene Körperwahrnehmung, die Emotionsregulation und den Austausch darüber auch bei uns selbst, weil sie uns wichtige Hinweise darauf liefert, wie gut wir selbst reguliert sind, um gut mit den Verhaltensweisen der Kinder umzugehen.
- Wir wissen um Übertragung und Gegenübertragung, weil uns diese Kenntnisse wichtige Hinweise zum Erleben der Kinder liefern und sich beide Faktoren damit als „diagnostische Mittel“ zum Erkennen der Gefühlswelt der Kinder und unserer eigenen Gefühlwelt eignen. Das Erkennen dieser Ebene ist zentral, um dysfunktionales pädagogisches Verhalten zu erkennen, zu reflektieren und zu vermeiden. Gleichzeitig bietet sie uns mögliche Hypothesen für die biographischen Erlebnisse der Kinder, die Entwicklung ihrer Denk- und Handlungsmuster und trägt damit zu deren Veränderung und Überwindung bei.
- Gehen wir immer von der Annahme des „guten Grundes“ aus, wenn wir uns nach dem Sinn eines kindlichen Verhaltens fragen und bilden damit Hypothesen über den inneren Sinn und in der Folge über hilfreiche Lösungsstrategien.
Ziele
- Wichtig ist für uns die Möglichkeit, durch Haltung und Methodik das Leid der Kinder und Jugendliche zu reduzieren, weil sie Informationen an die Hand bekommen, um ihre Reaktionen zu verstehen und wirksame Mittel ihre Lebenswelt zu gestalten. Dies trifft auch in der Arbeit mit den Eltern zu. Auch hier geschieht dies durch die traumapädagogische Haltung und die Anwendung entsprechender Methoden.
- Wir setzen dies um auf der Ebene unserer Organisationstrukturen, unserer Pädagogik und in der Zusammenarbeit mit den Eltern der bei uns untergebrachten Kinder und Jugendlichen.
- Wir betrachten die Menschen, mit denen wir arbeiten und leben, als Subjekte und Gestalter:innen ihrer Wirklichkeit und gehen deshalb davon aus, dass wir nur gemeinsam förderliche Entwicklungsprozesse gestalten können.
- Im Interaktionsprozess zur Erreichung pädagogischer Ziele thematisieren wir aktiv gegensätzliche Meinungen und Widersprüche, die in der Zusammenarbeit in der Organisation, in Kooperation mit anderen Institutionen, in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern immer wieder auftreten.
- Unser gemeinsames Ziel sehen wir dabei im Prozess, das „Wohl des Kindes“ in der laufenden Hilfe zu definieren und zu sichern, um gemeinsam mit den Eltern an der Überwindung der Widersprüche zu arbeiten, die durch unterschiedliche Sichtweisen auftreten können.
Glossar zu Grundbegriffen traumasensibler Arbeit
Co-Regulation
Das Erkennen der eigenen Gefühle und die Unterstützung anderer bei der Regulierung heftiger Gefühle. Die Gefühle werden anerkannt (validiert), der:die Pädagog:in geht von der Annahme des guten Grundes aus, d.h. es gibt einen Grund für das Auftreten des heftigen Gefühls oder des Verhaltens, der aber in der Biografie liegt und für die aktuelle Situation möglicherweise unangemessen ist.
Feinfühlige Bindungs- und Beziehungspersonen
Sie nehmen verbale und nonverbale Signale der Kinder sensibel wahr und reagieren in der Interaktion positiv, bestärkend, stützend, fördernd und heilend. Sind darauf trainiert die Bedeutung und die Herkunft der eigenen Gefühle zu reflektieren, damit sie sie zielgerichtet regulieren können.
Kohärenzgefühl
Nach dem Modell der Salutogenese von Antonowsky, das Gefühl der Verstehbarkeit und Handhabbarkeit im Leben. Hat Einfluss auf die Entwicklung gesundheitsförderlichen Verhaltens.
Selbstregulation
Die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen und zu steuern. Sie ist auch zur Erkennung von Übertragungs- und Gegenübertragungsgefühlen wichtig, um verdeckte Gefühle zu erkennen und pädagogische Arbeitshypothesen mit dem Ziel der Verhaltensänderung aufzubauen.
Übertragung und Gegenübertragung
„Erkenne Dich selbst, bevor Du die Kinder zu erkennen trachtest“. (Janusz Korczak).
Beide Phänomene zeigen sich häufig im pädagogischen Alltag in Bindung und Beziehung.
Die verletzten und in der Folge heftigen Gefühle kommen an die Oberfläche. Sie entstehen aus der psychosozialen Geschichte der Kinder und ihrer Betreuer:innen. Das Erkennen dieser Phänomene ist für die Gestaltung des pädagogischen Alltags von hoher Bedeutung.
Traumatische Zange
Modell zur Erklärung (entwicklungs-)traumatischer Prozesse. Menschen, die Gewalt erfahren und das Gefühl von Überwältigung haben, wollen flüchten oder kämpfen. Wenn weder Flucht noch Kampf möglich sind, kann es zu einer überwältigenden Erfahrung von Hilflosigkeit kommen, das Nervensystem kann dann im Rahmen einer Notfallreaktion den Körper erstarren lassen und Erlebnisse werden abgespalten (fragmentiert) im Gehirn abgelegt.
Window of tolerance / Stresstoleranzfenster
Modell der neurophysiologischen Regulationsmechanismen von Sympathicus und Parasympathicus; ist relevant zur Erklärung und Steuerung von Gefühlen und deren neurophysiologischer Basis. Hilft als Modell die Folgen entwicklungstraumatischer Dysregulation des Nervensystems zu erklären und stützt pädagogische Überlegungen zur Steuerung von Co-Regulierung, um mit den Kindern und Jugendlichen fördernd und stützend umzugehen.
Fachliteratur
An dieser Stelle nennen wir in unregelmäßigen Abständen Titel empfehlenswerter Fachliteratur oder setzen Links zu entsprechenden fachlichen Veröffentlichungen zu traumasensibler und traumapädagogischer Arbeit in der stationären Erziehungshilfe, die uns lesenswert erscheinen.
Salutogenese und Resilienz
Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Tübingen: dgvt Verlag. Juventa, Weinheim, 2004
Karl Heinz Brisch, Theodor Hellbrügge (Hrsg.)
Bindung und Trauma
Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern
4. Aufl. 2012, 270 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-94793-9
Karl Heinz Brisch
Bindungsstörungen
Von der Bindungstheorie zur Therapie
12. Aufl. 2013, 378 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-94532
Traumatherapeutische Verfahren
Jochen Peichl
Hypno-analytische Teilearbeit
Ego-State-Therapie mit inneren Selbstanteilen
Die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen hat in der heutigen psychotherapeutischen Praxis Konjunktur und versteht sich als erfolgversprechender Behandlungsansatz für schwer gestörte Patienten. Jochen Peichl erklärt die Grundlagen der Ego-State-Therapie und ähnlicher Konzepte und entwickelt ein durchdachtes, anwendungsbezogenes und innovatives neues Modell.
ISBN: 978-3-608-89128-7
Robert Scaer
The Body Bears the Burden
The Haworth Medical Press ISBN 0789012464
Joachim Bauer
Warum ich fühle, was du fühlst
Heyne Verlag ISBN 9783453615014
Peter A. Levine
Vom Schmerz befreit
Kösel-Verlag
ISBN-10: 3466309654
ISBN-13: 978-3466309658
Peter A. Levine, Maggie Kline
Kinder vor seelischen Verletzungen schützen
Kösel-Verlag
Peter A. Levine
Trauma-Heilung – Das Erwachen des Tigers
Synthesis-Verlag ISBN 3922026915
Peter A. Levine, Maggie Kline
Verwundete Kinderseelen heilen
Kösel Verlag ISBN 3466306841
Peter A. Levine : Sprache ohne Worte: Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt Kösel-Verlag 2011 ISBN-10: 3466309182
Siegel, Daniel
Achtsame Kommunikation mit Kindern: Zwölf revolutionäre Strategien aus der Hirnforschung für die gesunde Entwicklung Ihres Kindes, Arbor
Mindsight – Die neue Wissenschaft der persönlichen Transformation
Goldmann
Der achtsame Therapeut: Ein Leitfaden für die Praxis
Siegel, D. (2006). Wie wir werden, die wir sind. Jungfermann Verlag.
Siegel, D. (2010). The mindful therapist. New York: Norton Company.
Siegel, H. M. (2003). Healing Trauma. New York: Norton
Schmidt, J. B. (2008). Der Körper kennt den Weg. München: Kösel.
Luise Reddemann
Dem inneren Kind begegnen
Hör-CD mit ressourcenorientierten Übungen
Luise Reddemann
Imagination als heilsame Kraft
Hör-CD mit Übungen zur Aktivierung von Selbstheilungskräften
Luise Reddemann
Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie PITT – Das Manual
Andreas Krüger, Luise Reddemann
Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie für Kinder und Jugendliche
PITT-KID – Das Manual
Luise Reddemann, Cornelia Dehner-Rau
Trauma
Folgen erkennen, überwinden und an ihnen wachsen
Trias, Stuttgart, 2006
Thema Traumapädagogik
Martin Baierl, Kurt Frey (Hg.)
Praxishandbuch Traumapädagogik
Lebensfreude, Sicherheit und Geborgenheit für Kinder und Jugendliche
1. Auflage 2014294 Seiten mit 23 Abb. und 1 Tab. Kartoniert
ISBN 978-3-525-40245-0
Vandenhoeck & Ruprecht
Wilma Weiß
Philipp sucht sein Ich
Zum pädagogischen Umgang mit Traumata in den Erziehungshilfen
Jacob Bausum / Lutz-Ulrich Besser / Martin Kühn / Wilma Weiß (Hrsg.)
Traumapädagogik
Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis
ISBN:978-3-7799-2866-9
04.03.2013
Heike Löffel, Christa Manske
Ein Dino zeigt Gefühle
Fühlen. Empfinden. Wahrnehmen
Mebes & Noack, Köln, 2010
Bruce D. Perry, Maia Szalavitz
Der Junge, der wie ein Hund gehalten wurde
Was traumatisierte Kinder uns über Leid, Liebe und Heilung lehren können
Kösel, München, 2008
Ulrike Ding / Esther Kamala Friedrich / Eva Picard / Wilma Weiß
Als wär ich ein Geist, der auf mich runter schaut. Dissoziation und Traumapädagogik, Beltz
Birgit Lang / Claudia Schirmer / Thomas Lang / Ingeborg Andreae de Hair / Thomas Wahle / Jacob Bausum / Wilma Weiß / Marc Schmid (Hrsg.)
Traumapädagogische Standards in der stationären Kinder- und Jugendhilfe.
Eine Praxis- und Orientierungshilfe der BAG Traumapädagogik, Beltz
Peter A. Levine, Maggie Kline
Verwundete Kinderseelen heilen
Wie Kinder und Jugendliche traumatische Erlebnisse überwinden können
Peter A. Levine, Ann Frederick
Trauma-Heilung
Das Erwachen des Tigers – Unsere Fähigkeit, traumatische Erfahrungen zu transformieren
Synthesis, Essen, 1998
Achtsame Kommunikation mit Kindern-Zwölf revolutionäre Strategien aus der Hirnforschung für die gesunde Entwicklung Ihres Kindes, Klett-Cotta, Stuttgart, 2003
Andreas Krüger
Erste Hilfe für traumatisierte Kinder
ISBN: 978-3-8436-0146-7
Sandra Wieland (Hrsg.)
Dissoziation bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen
Grundlagen, klinische Fälle und Strategien
Das Buch erläutert plausibel und praxisnah, wie selbst mit schweren dissoziativen Störungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgreich gearbeitet werden kann. Es liefert eine Fülle an Wissen und klinischer Expertise für die konkrete therapeutische Arbeit.
ISBN: 978-3-608-94826-4